EIN FLUGZEUG ÜBER DEM HAUS, das schnurgerade
geräusch eines mähers verirrt sich in bögen
zwischen ländlicher trägheit und weite:
zu lange haben manche am fenster gesessen,
eine ankunft zu imaginieren. ich stelle mir dich vor
an terminal eins — tragflächen vibrieren
wie herzen: der himmel kratzt propellerdelays in die windschutzscheibe des fliegers – einer dakota, einer zuverlässigen kiste, wenn man achtgibt auf sie. wenn man das nicht tut, sprengt das sediment unten im tank den motor aus den tragflächen. »da blickte ich die einflugschneise entlang und sah ein flugzeug, das ich zunächst nicht identifizieren konnte.«
ein punkt im himmel ein kreis ein schwarzer kreis
eine bassbuchtung im auge ein pochen unter dem lid und alles
gewimmel oranger und gelber und schwach ganz schwach grünlicher löcher
und etwas saugendes ist.
ich wippe reminiszenzen herbei und spreizfüszige leichte:
alles aus bravo und kann es nicht greifen
ich liebe es aber: hohe tragflächen
»und brennstofftanks in den flügelspitzen. dann drehte es, kam nach vorn: eine schlanke, kleine, zweimotorige praktische angelegenheit, vier grosse passagiersitze, eine privatbar und für den besitzer noch platz genug, hinten ein nickerchen zu machen. elegant und leicht senkte sie sich zur letzten kurve. ich beobachtete aufmerksam. es hatte einen leichten stoss gegeben, eine aufdrift, als man von see hereinkam – aber die dakota machte das manöver ohne das geringste zittern.
allmählich wurde das gefühl in mir stärker, obgleich ich alles tat, es zu unterdrücken. nur ein pilot hätte es gemerkt, und vielleicht nur einer mit so vielen flugstunden im logbuch wie ich. aber für mich war es, als sähe ich eine schöne frau aus der entfernung, sähe, wie sie näher kam, und wartete auf die unvermeidliche enttäuschung, wenn sie vor mir stünde.«
die winde verfeinern sich, artikulieren gesänge, du näherst dich dem airport. das rollfeld: eine zerschlissene steppdecke. was du liebst, ist nicht die gegend, es sind die begegnungen.
die leere, die hitze gärt,
der sand muss ein flirren sein, eine hure: nachzittern
der glieder, ein gleitflug heisser wind über dem boden: dreissig
zentimeter – das kriegt ein stahlzäpfchenpilot garnicht hin;
man muss sich mit skorpionen auskennen dafür.
»ich empfand keinen neid, während ich zusah. es war etwas jenseits jeden neides, und nicht jeder pilot kann eine dakota so scharf einfliegen, ohne von der piste abzukommen. ich sah nur zu. es gibt frauen, die man betrachten kann, ohne sie zu begehren.«
es gibt frauen, die man begehren kann,
ohne sie zu fliegen. das leben
ist so einfach wie die worte, die man gebraucht
dafür. der mittag wird heiss und ganz unerträglich
werden; abseits des rollfelds weiden einige stuten
und in der baracke empfängst du brüttalvermerke – privatpiloten liegen für die, die hier fristen, eine stufe unter der hurerei. aus dem trinkschuppen nebenan schallt diamantlachen: shirl! diese frau ist der reinste nektar. zuviel von ihr aber gift. lieber drehst du einen loop in die tiefe der nacht ... du weisst, du haust wieder ab. sie weiss es auch. an daheim mögt ihr beide nicht denken. in der bar: eine menge rauch und geschnatter.
einen der männer in der bar
kannte ich. einer der männer
in der hinteren ecke erkannte mich,
tischreihen rückten, barhocker schlugen
draussen platzte ein reifen,
»ken kitsen bestellte zwei old fashioned und einen martini. hier wird man offenbar gut bedient, bemerkte ich. alles eine frage des geldes, meinte shirl. dieses mädchen hatte beträchtlich mehr im kopf, als sie brauchte für kitsen und mich. und wenn mans bedachte, hatte sie auch eine ganze menge mehr als bloss einen kopf. ich blickte durch die leere halle, warf meine kippe dann in einen grossen, messing-gehämmerten kübel und trat in die kühle abendluft hinaus.«
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saint-exupéry war post- und versorgungspilot, und auch wenn es bei ihm die tiefe melancholie der nacht, die angst vorm schemen war: dem nur halb sichtbaren, schleierhaften – die angst, bei einem NACHTFLUG die leitlichter zu übersehen und den nächsten airport zu verpassen, so kannte er sicher doch die erleichterung, eine bodenstation wiederzusehen, die techniker, die kumpel, ein mehr oder weniger leichtes mädchen unter den kerlen. immer denkt man in solchen momenten auch an zuhause. an die frau, die wartet.
thomas böhme, wenn er in seinem immernoch wichtigen gedichtband STOFF DER PILOTEN die flaumigen wangen der verwegenen jugend beschreibt, denkt dabei auch an sein alter. die jungs
donnern auf schwarzen rollbahnen
der gefühle silberne schwere maschinen
nackten städten entgegen [...] sie legen
sich schräg in die kurven aus sehnsucht
und entsprechen damit der sehnsucht desjenigen, der sie betrachtet. gavin lyalls blick auf DIE HARTE SEITE DES HIMMELS ist nicht so verschieden davon. man muss eine maschine nicht fliegen, um sie zu bewundern – auch die frauen, denen der held seines thriller-debüts 1961 begegnet, scheinen aus der ferne interessanter als von nahem. trinken hilft! ein fick ebenfalls, auch wenn man gleich danach wieder leeren blicks an die decke des hotelzimmers starrt. brinkmann macht 1968, sieben jahre nach lyall, gleich eine pulp-collage aus dem stoff. in DIE PILOTEN »platzte etwas / in der luft / und war da«. fertig. der überschall-knall macht aus poppigen gedichten eine art daumen- oder einhand-kino.
Crauss nimmt in seinen an gavin lyalls titel angelehnten gedichtband DIE HARTE SEITE DES HIMMELS jene heldentypen der 60er (oder wie bei exupéry der 30er) jahre auf, geniesst ihre abscheulich sportliche, ihre schwitzig machistische art, und bewundert, wie opernhaft verrückt die frauen nach ihnen werden:
STEHE MIT OFFENEM MANTEL auf einem
der morschen balkone von lust und begierde. wie aufreibend
das klingt!
mayröcker – oder eine ihr sehr ähnliche – spricht hier, verzehrt sich nach einem eleven vom flughafen:
ich werde dort sein
ich werde versprach ich ich liebte
die karmesinroute der ausladende bogen
über dem ionischen meer und alles nach libyen
das blau deiner augen ein aphrika das meer
ist die harte seite des himmels. die frischen benzinwolken
des airports eine abkühlung die dunklen kostüme
der damen die langen meerüberquerungen die stopps
das aufschlagen in fremde das weiche sinken in
kissen von männern beschlafene kammern beschrieben
auf kleinen knallenden
in den mittag scheppernden schreibmaschinen
über mayröcker, den eleven und noch mehr heisse maschinen dann mehr in der fortsetzung ...
und im märz 2018 im verlagshaus berlin:
DIE HARTE SEITE DES HIMMELS von Crauss, mit illustrationen von Felix Bauer.