„Monolinguales Schreiben in einer multilingualen Welt“, so war die Veranstaltung angekündigt. Das machte mich neugierig. Ich hatte mich nie damit auseinandergesetzt, dass es auch Menschen gibt, die nur in einer Sprache leben. Hatte die typische Mehrheitsignoranz an den Tag gelegt – ja, genau, wenn ich es mir recht überlegte, kannte ich nicht einmal jemanden, der einsprachig aufgewachsen war, geschweige denn, der einsprachig aufgewachsen war und literarisch schrieb. Die geladenen Gäste saßen auf der Bühne, sichtlich nervös. Der Moderator stellte erst sich, dann sie vor, und ich meinte, etwas Mitleidiges in seinen Worten zu vernehmen. Er begann seine Fragerunde: „Wie machst du das, schreiben, obwohl du einsprachig bist?“ – „Wie, denkst du, würde sich dein Schreiben verändern, wenn du mehrsprachig wärst?“ – „Fehlt Dir nicht manchmal das Hin- und Hergerissensein?“ – „Welche Inhalte eignen sich für dich besonders für das monolinguale Schreiben?“ – „Kompensiert die Monolingualität das Defizit der fehlenden anderen Sprachen?“… Die Podiumsteilnehmer·innen versuchten zunächst, die Fragen ernsthaft zu beantworten, erklärten, dass sie ja nun mal einsprachig aufgewachsen wären, sich also nicht vorstellen könnten, wie es sich anfühlte, es nicht zu sein. Dass ihre Inhalte sich nicht von der Einsprachigkeit ableiten ließen. Und dass ihnen das Hin- und Hergerissen-Sein nicht fehle, da sie es nicht kennen würden. Einige zugegebenermaßen ungelenke Rückfragen, und schon fingen sie an, sich zu verteidigen, beriefen sich auf illustre Namen: „Zweisprachigkeit wohnt jeder Dichtung inne, sagt Agamben“, sagte die eine – „Das Unbewusste ist ein Dialekt, sagt Zanzotto“, ergänzte die andere – „Dichten ist schon übersetzen, aus der Muttersprache in eine andere, sagt Zwetajewa“, der Dritte – „Dichten ist immer Exil, aber ich erinnere mich nicht, wer das gesagt hat.“ – „Es gibt keine Muttersprache, sagen Deleuze und Guattari“.
Ach, dachte ich, all diese Texte müsste ich endlich auch mal lesen. Damit ich vorbereitet bin, falls ich plötzlich zur Minderheit erklärt werde.
Warum tragen in ihrem jüngsten Gedichtband so viele Gedichte französische Titel, Frau Kennel? Warum all diese Sprachen, Deutsch, Französisch, Englisch, Portugiesisch, Armenisch? Was meinen sie mit der Angst vor den Wörtern, die man auf der drittletzten Silbe betont? Und was soll dieser Buchtitel, den kein Mensch aussprechen kann? Pferdetext? Hosentext? Rosentext?
Zum Glück muss ich das alles nicht erklären. Es ist schon ein Privileg, der Mehrheit anzugehören.