Robin Wagemann

Vorhang auf für Robin Wagemann aka LIN, den Illustrator des Bandes »AmokperVers« (Verlagshaus Berlin, 2018) zu Gedichten von Martin Piekar. Robin lernte ich vor gut fünf Jahren über ein Designtheorie-Seminar an der FH Potsdam kennen. Damals studierte er noch Kunst in Weißensee. Es entwickelte sich eine Freundschaft, ich besuchte seine Ausstellungen, wir durchredeten Nächte in Clubs und sprachen über Design, Filme, Literatur und immer wieder über seine Kunst. Ich war fasziniert von seinen damals noch eher objekthaften Gebilden, die immer eine große zerstörerische Kraft in sich bargen. Seine Werke verortete ich eher im Bereich der konzeptuellen Kunst, die über die Gespräche ihre Wirkkraft für mich entfalteten.

Auch im Verlagshaus Berlin wurde Robin unser Komplize und Verbündeter. Er arbeitete für ein Jahr als freier Mitarbeiter im Bereich der Administration und Online-Redaktion bei uns. Er war auf vielen Veranstaltungen des Verlagshauses und auf der Buchmesse 2016 mit dabei. Seine eigene Kunst entwickelte sich in dieser Zeit immer mehr in eine zeichnerische Richtung. Seine geradlinigen, minimalistischen Strichzeichnungen haben für mich einen hohen poetischen Wert. Sie zeigen oft surreale und düstere Aspekte und bieten in ihrer Vielschichtigkeit verschiedene Wege der Interpretation. So war es nur ein kleiner Schritt hin zur Illustration eines unserer Bände im Verlagshaus. Die Gedichte von Martin Piekar, der damals an einem neuen Manuskript arbeitete, boten sich geradezu an, da sie in einer ähnlich emotionalen, manchmal auch düsteren Art große Themen wie Politik, Liebe, Wut und Verzweiflung interpretieren. Sie verweben, wie auch Robins Zeichnungen, das Politische und Private miteinander.

Instagramaccount Robin Wagemann aka LIN

Tattookunst von Robin Wagemann aka LIN

Schon seit unseren ersten Gesprächen erzählte mir Robin immer wieder von seiner Begeisterung für das Tätowieren. Irgendwann vor zwei Jahren, kaufte er sich eine eigene Tätowiermaschine und begann seine Kunst auch auf die Haut auszudehnen und mit dem Körper als narrativem Medium zu arbeiten. Je nach Platzierung und Blickwinkel seiner Motive auf der Haut werden immer neue Geschichten erzählt. Robin versucht hier den Spagat zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Harmonie und Disharmonie. Damit eröffnet er der Kunst ganz andere Räume: Jedes Motiv gibt es nur ein einziges Mal und wird nicht in Galerien gezeigt, sondern unmittelbar auf dem Körper ausgestellt. Sein Stil ist mittlerweile unverkennbar und Menschen können darüber ins Gespräch kommen. Heute ist Robin ein sehr erfolgreicher Tätowierkünstler, er reist mit seiner Maschine um die Welt und hat regelmäßig Guestspots in Seattle, New York, London, Rom und München! Für mich ist ein Tattoo eine Entscheidung für ein Motiv, welches mich begleitet und dauerhaft Symbol für etwas sehr Persönliches steht, eine Art Ritual der Erinnerung – eine Entscheidung, die gar nicht so einfach zu fällen ist … vielleicht irgendwann … dann trage ich auch ein Kunstwerk von Robin auf meiner Haut! Danke für Deine klugen Ideen und das Gespräch, lieber Robin! Andrea

»AmokPerVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokPerVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokPerVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokPerVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokperVers« (Verlagshaus Berlin 2017) / Illustrationen von Robin Wagemann zu Gedichten von Martin Piekar

→ Wie entsteht eine Illustration?
ICD10 F48.1 + Stockhausen / mentalen Keller = Ergebnis
Ehrlich gesagt habe ich kein Rezept. Irgendwie passiert es einfach und am Ende bin ich mir selber fremd.
Erst dann darf es raus in die Welt.

→ Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Genre empfinde ich oft als Behinderung. Die Frage | dürfen andere gerne beantworten.
| müssen
| können.

→ Wie näherst Du Dich der Illustration von Gedichten?
Im Falle von Martin Piekar’s Bank »AmokperVers« habe ich ein wenig rein gelesen. Hier und da sympathische Begriffe raus geschrieben und benutzt. Nicht als Dogma, sondern mit sich auslösenden Assoziationsketten. Ich wollte mich also auch wieder entfernen.

Mir war/ist dabei nicht zwingend wichtig, Sprache und Zeichnung zusammen zu bringen. Ganz im Gegenteil – ich habe eher das Gefühl, sie verstehen sich umso besser wenn sich beide Bereiche emanzipieren. Wie bei jeder anderen Form der Beziehung wird man dann mit der Zeit sehen, ob es funktioniert. Vielleicht verstehen sich unsere Arbeiten in fünf Jahren nicht mehr und Martin haut mir nachträglich eine rein … Ich bleibe gespannt.

»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokperVers« (Verlagshaus Berlin 2017) / Illustrationen von Robin Wagemann zu Gedichten von Martin Piekar

→ Was macht Buchillustration für Dich besonders?
Ebene jene oben beschriebene Zusammenkunft von zwei oder mehr Personen, Stilen, und Medien. Zusätzlich die Abwechslung nicht darüber nachdenken zu müssen ob der Strich jetzt auf der Haut funktioniert. Es gibt andere Grenzen aber auch andere Formen von Freiheit.

→ Gibt es gesellschaftliche Themen, die Dich in Deiner künstlerischen Arbeit besonders interessieren?
1. ”I love violence“ // Alejandro Jodorwsky
2. Einer meiner Hauptmotoren ist der Versuch, Harmonie und Disharmonie im selben Augenblick zu generieren. Konstruktion und Dekonstruktion sollen sich gegenüber stehen, einander bedingen und gleichzeitig amputieren. Ich mag Schwebezustände, bei denen es kein richtig oder falsch gibt. Erst dann ist man mit sich selbst konfrontiert.

→ Was oder für wen würdest Du nie illustrieren?
Ich setze mir da ehrlich gesagt keine Grenze. Ich bewege mich in dem optimistischen Glauben, dass mein Gegenüber differenzieren kann. Wenn eine Arbeit etwas auslöst, egal ob positiv oder negativ, dann müssen Wir (Person/Gesellschaft etc.) den Mut und die Energie aufbringen, über den Hintergrund/den Motor dieser Emotion oder des rationalen Ansatzes zu sprechen. Wer hier zensiert, nimmt sich und seinem Umfeld die Chance, über jene Problematik einen Diskurs zu führen und mit diesem zu wachsen. Künstlerische Übersetzungen, in welches Medium auch immer, sind aus meiner Perspektive lediglich Prothesen. Der Fetisch nimmt hier die Potenz etwas voran zu bringen.

Am Ende glaube ich dass die Frage nicht lauten sollte, ob man zensiert, sondern wo. Wir hängen immer noch am Kontext fest. Fluch und Segen.

»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann»AmokperVers« // Illustrationen: © Robin Wagemann

»AmokperVers« (Verlagshaus Berlin 2017) / Illustrationen von Robin Wagemann zu Gedichten von Martin Piekar

→ Mit welchen Künstler_innen würdest Du gern ein Projekt realisieren?
Aaron Funk aka, Venetian Snares
Alexis S. F. Marshall

→ Wieviel ist für Fame, wieviel für Fortune?
Beides egal, am Ende zählt die Arbeit. Ich mach um 20:15 das Licht aus …

→ How much is the Fish?
Scooter gehört definitiv nicht zu der Art Musik die mich morgens aus dem Bett bekommt :‘)

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