»10 Fragen an Lea Schneider« // Lea Schneider im Interview (einfach aufs Bild klicken!)
»found in translation« sagte Lea Schneider einmal über ihre Arbeit als Übersetzerin. Und so würde ich auch unser Kennenlernen beschreiben. Lea war schon längst Teil des Verlagshaus-Autor*innen-Kollektivs – ihren Lyrik-Debütband »Invasion Rückwärts« brachte sie 2014 bei uns heraus –; so richtig kennengelernt haben wir uns aber erst über die gemeinsame Arbeit an ihrem jüngsten Band »Chinabox. Neue Lyrik aus der Volksrepublik« (Verlagshaus Berlin, 2016).
Zwischen Lektorat und Gestaltung des Bandes, bei gemeinsamen Treffen und im Rahmen vieler Veranstaltungen sprachen wir immer wieder über ihre und meine Aufenthalte in China, über interkulturelle Engagements, lyrische Transformationen, das Problem des Exotismus, vor allem aber über Sprache und Schrift. Vieles von dem, was Lea berichtete, kannte ich aus meiner eigenen Arbeit im Bereich der Bilingualen Typografie an chinesischen Hochschulen. Wie bewegt man sich in einer »fremden« Kultur, ohne von den »eigenen«, westeuropäischen Strukturen, die den Blick, die Augen und Perspektiven durchdringen, korrumpiert zu werden? Wie arbeitet man mit einem Zeichensystem, dass auf völlig anderen Prinzipien basiert als das gewohnte System? Wie bringt man zwei unterschiedliche Schriftsysteme, das ikonographische, chinesische System mit dem additiven, lateinischen System zusammen? Dass man während der Übersetzungsarbeit aus der chinesischen in die deutsche Sprache vor ähnliche Herausforderungen gestellt ist, lernte ich durch die Gespräche mit Lea und die Einblicke in ihre Arbeit.
Lea spricht von »Wirkungsäquivalenz«, ein treffender Begriff der Translationswissenschaft; er bedeutet, dass man bei jeder Übersetzung herausfindet, welche Wirkung der jeweilige Text auf chinesische Leser*innen hat, um ihn dann in deutscher Sprache neu zu schreiben und einen ähnlichen Eindruck bei den deutschsprachigen Leser*innen zu erzeugen. Wie in der Bilingualen Typografie geht es auch bei Leas Übersetzungen um Transformationen, um lyrische Transformationen. Nicht nur wegen der besagten Herausforderungen, ist daher die Übersetzungsarbeit immer auch ein politischer Akt, weil sie einen zukünftigen Effekt versucht vorherzusagen oder zu zeigen. Dieses politische Spiel mit den unterschiedlichen Sprachen, Symbolen, kulturellen Codes und die konsequente Absage an jede Form des Exotismus ebenso wie an Interlinearübersetzungen, machen Leas Gedichte so lebendig und lesenswert!
In den folgenden zwei Wochen wird Lea hier einen vierteiligen Essay über literarische Übersetzungsstrategien, »lexikalische Wucherungen«, Ordnungssysteme, aber vor allem über ihre Erfahrungen in China publizieren. Ich wünsche Ihnen und euch viel Freude beim Lesen!
Andrea
Bisher von Lea Schneider im Verlagshaus erschienen: