„KOMMENTATIONEN Wenn die Kommentarbedürftigkeit
an den Rändern der Sprachfähigkeit
zum Tragen käme, möchte man lieber
Anschlüsse anlegen, Ausdifferenzierungen
verlangen, und käme überhaupt nicht weiter mit
einem Sprachschlüssel, der zum Weiterschreiben
anregt, die aufregenden Momente des
Errötens einbeziehend, und wenn gar nichts
ginge, dann liege man eher falsch als richtig.
Wenn man denn liege. Wenn man an den
Rändern, den Mauern, den Wällen, den Barrieren
kein Land sieht, kann es vorkommen, dass alles
steht.“
Die Sommerpause ist vorbei, wir öffnen erneut die Tür der BlackBox und möchten euch unsere Autorin Swantje Lichtenstein vorstellen! Schon seit den Anfängen des Verlagshaus begleiten wir Swantje in ihrem Schreiben; 2008 erschien ihr erster Beitrag in unserem Magazin für Literatur und Illustration, Belletristik. Seitdem hat sie drei Bücher im Verlagshaus veröffentlicht: 2011 »Horae« in der Edition Belletristik, 2013 »Geschlecht« in der Edition Poeticon und zuletzt 2015 »Kommentararten« in der Edition Belletristik.
Swantje Lichtensteins Schreiben und ihre Auseinandersetzung mit Sprache sind einzigartig innerhalb der deutschsprachigen Gegenwartslyrik: Sie verhandelt in ihren Texten Möglichkeiten von Sprache, vom Schreiben, von Literatur: Sprache wird zersetzt und kommentiert; die Kommentare wiederum kommentiert. Swantje Lichtenstein fordert durch konzeptuelle Verfahren der Textproduktion eine neue Auseinandersetzung, ein anderes Bewusstwerden für und von Sprache. Sprache wird nach der Dekonstruktion neu zusammengesetzt, Fragen entstehen dabei, Antworten vermutlich, vermeintlich. Sie regt neue Rezeption an, drängt auf neue Denkweisen.
Was ist unter konzeptuellen Schreiben zu verstehen? Welche Rolle spielt diese Art des Schreibens im Verhältnis zu konzeptuellem Arbeiten in anderen Künsten? Welche inhaltlichen, welche formalen Strategien werden verfolgt? In der englischsprachigen Literatur werden diese Fragen von Autor_innen wie Vanessa Place oder Kenneth Goldsmith verhandelt – beide sind von Swantje Lichtenstein in die deutsche Sprache übertragen worden. In ihren eigenen Texten schafft Swantje Lichtenstein aber etwas Unvergleichliches: Ihre rasende Ungeduld, ihre Ein- und Anforderung von und an eine Geschwindigkeit des Denkens lösen immer wieder eine neue Lust auf Literatur aus – beim Lesen ist es, als wäre man inmitten einer Verhandlung, deren Ende ungewiss ist. Aber Lesende sind für Swantje Lichtenstein keine Beobachter_innen – sie müssen mitgehen, werden mitverhandelt.
Dasselbe gilt für ihre Performances: Während andernorts eine Lesung bereits Performance genannt wird, wenn die obligatorischen Paraphernalien (Wasserglas, Leselampe usf.) im Raum ungewöhnlich verteilt sind, ist bei Swantje Lichtenstein die Performance ein Werkzeug ihres Konzeptes: Gerade hier wird Sprache neu erfahrbar. Wer einmal auf einer ihrer Performances war, wird sich dem Sog ihrer gezielt eingesetzten Stimme in einem stakkato-artigem Rhythmus nicht mehr entziehen können. Sprache wird zu Sound, Sound zu Sprache. Sie fordert das Publikum heraus, fordert auch hier eine andere Möglichkeit des Sprechens und des Denkens. Oberflächen werden zerstört, verändert und Neues wird zum Vorschein gebracht.
In den kommenden Tagen könnt ihr mit Swantje Lichtensteins »Sound-Writing Manifest« durch ihre Sound-Performances gehen und euch ein Bild davon machen, wie und wo das Hören die eigene Sprache verändert. Bühne frei für Swantje Lichtenstein!